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OGH 7 Ob 109/21m, 24.11.2021 – Verlust eines Kündigungsgrundes wegen Zuwartens

OGH 7 Ob 109/21m, 24.11.2021 – Verlust eines Kündigungsgrundes wegen Zuwartens

Das Recht des Vermieters, den Mietvertrag mit einem Kündigungsgrund aufzukündigen, erlischt nicht bloß durch Zeitablauf. Das Gesetz kennt weder Ausschlussfristen, nach deren Ablauf Kündigungsgründe nicht mehr geltend gemacht werden können, noch den Tatbestand der Verweisung des Kündigungsrechts infolge bloßer Nichtausübung durch längere Zeit.

Die Rsp, nach der Auflösungs- und Kündigungsgründe vom Vermieter ohne unnötigen Aufschub geltend gemacht werden müssen, ist so zu verstehen, dass im Fall des Zuwartens geprüft werden kann, ob darin ein schlüssiger Verzicht liegt. Allerdings ist bei der Annahme eines konkludenten Verzichts besondere Zurückhaltung geboten. Der Verzicht auf einen Auflösungsgrund hat zur Voraussetzung, dass das Zuwarten des Vermieters mit der Aufkündigung oder der Räumungsklage unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Vermieter den ihm bekannten Sachverhalt nicht mehr als Auflösungs‑ oder Kündigungsgrund geltend machen will. Es ist daher erforderlich, dass der Mieter weiß oder aus dem Verhalten des Vermieters doch mit Recht ableiten kann, dass dieser den vollen Sachverhalt, der die Auflösung oder die Kündigung rechtfertigt, kennt und dem Mieter keine Umstände bekannt sind, die ein Zuwarten des Vermieters mit der Kündigung oder einer Räumungsklage aus einem anderen Grund als dem eines Verzichts auf das Auflösungs‑ bzw Kündigungsrecht erklärlich erscheinen lassen. Die Beweislast liegt beim Mieter.

Im Verfahren über die Kündigung aufgrund unleidlichen Verhaltens des Mieters wurde aufgrund einer vorübergehenden Verhaltensänderung Ruhen vereinbart. Aus dem Umstand, dass der Vermieter erst 14 Monate nach der Ruhensvereinbarung und etwa 12 Monate nach Wiederaufnahme des unleidlichen Verhaltens die Fortsetzung beantragt hat, kann kein konkludenter Verzicht auf den Kündigungsgrund abgeleitet werden. Der Mieter zeigt andere Mieter des Hauses regelmäßig wegen Lärmbelästigung bei der Polizei an, obwohl der von ihnen verursachte Geräuschpegel das übliche Maß nicht übersteigt. Außerdem klopft er regelmäßig im Zeitraum von 6.30 bis 00.30 Uhr alle drei bis vier Stunden ohne objektiv nachvollziehbaren Grund mit dem Besen an die Wände und Decken zu den Nachbarwohnungen. Dies erfüllt den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 3 Fall 2 MRG (unleidliches Verhalten). Wenn man in die Würdigung miteinbezieht, dass der Beklagte nach einer kurzen Phase des Wohlverhaltens trotz des anhängigen Kündigungsverfahrens sein intolerables Verhalten fortgesetzt hat, so ist der Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs 2 Z 3 zweiter Fall MRG verwirklicht.